Hallo Roland;
Am Donnerstag, den 19.03.2020, 16:23 +0100 schrieb Roland Hummel:
ich vestehe, was Du meinst, finde es aber nicht verkehrt, nach einer solchen Auseinadersetzung die Sinnhaftigkeit von Lösungen zu diskutieren. Die Ökonomie, in der diese entwickelt werden, arbeitet ja nicht so, dass sie auf einen Bedarf reagiert, sie erzeugt ihn aktiv.
Naja. Das ist so ein Standard-Argument, leider, und aus meiner Sicht bestenfalls nur teilweise zutreffend. Viele Entwickler, die an Nutzern arbeiten, entwickeln ihre Dienste und Features so, dass sie Nutzer beobachten, mit Nutzerfeedback umgehen, iterativ kleine oder größere Funktionen 'reinbringen (oder auch wieder 'rausstreichen) und schauen, wie die Nutzerschaft darauf reagiert, ob die Funktionen verwendet werden oder nicht.
Das ist auch *ein* Grund, by the way, warum viele Apps, auch Web- Anwendungen, Google Analytics oder anderes "Tracking" beinhalten - nicht weil die Hersteller die Nutzer ausspionieren wollen, sondern weil die Entwickler herausfinden wollen, wie die Anwender ihre Anwendung bedienen, welche Funktionen oft, selten, nie verwendet werden, um die Bedienbarkeit und Benutzerführung zu ändern. Wir haben das selbst in einem Projekt erlebt, in dem sich (auch über Analytics) gezeigt hat, dass an einer Stelle ein Bedienfluss so ungünstig gestaltet war, dass die Nutzer einen Prozess regelmäßig nach dem ersten Schritt abgebrochen und nochmal zurückgegangen sind, um neu zu starten. Das wurde in einer Folge-Version angepasst, und kurz nach dem Launch hatten wir in erschreckend großem Maße Mails von Nutzern, die sich für diese Änderung bedankt haben. Dazu muss man sich aber mit den Nutzern beschäftigen. Wenn die Nutzer in-house sind, dann schaut man denen gelegentlich über die Schulter. Wenn die Nutzer draußen vor Bildschirmen sind, ist dieses "Über-die-Schulter-Schauen" bedeutend schwieriger. Aber solche Punkte sind es, die an vielen Stellen die Usability von "professionell" entwickelten Produkten ausmachen, und wo die FLOSS-Community leider an vielen Stellen nur daran arbeitet, die auf diesem Weg gewonnenen Erkenntnisse zu kopieren. Wir ahmen nach, entwickeln aber hier nichts weiter.
Und: Wir denken dort gern schwarz/weiß: Die Industrie ist böse. Tracking ist böse. Orientierung an den Nutzern passiert nur, wenn man sie durch Geld und Manipulation überzeugt, dass das, was man ihnen zu bieten hat, das ist, was sie brauchen. Sicher: Die Industrie fokussiert darauf, ihre Produkte an eine große, größtmögliche Masse zu bringen. In der Konsequenz: Sehr viele FLOSS-Entwickler arbeiten zum Broterwerb bei genau solchen Konzernen. Sehr viele Werkzeuge und Frameworks, die heute für FLOSS-Software-Entwicklung verwendet werden, stammen oder werden maßgeblich unterstützt von großen Konzernen. Selbst bei der GNOME Foundation und der FSFE stehen Google in der Liste der "Premium- Sponsoren", und Mozilla hat Verträge mit Google über die Verwendung als Suchmaschine im Browser. Und auf der anderen Seite sind leider viele FLOSS-Projekte letztlich Projekte von Hobbyisten, die Dinge zum Spaß und aus Enthusiasmus tun, die aber aus diesem Rahmen heraus gar keine Notwendigkeit oder kein Interesse haben, sich allzu stark auf Endnutzer zu fokussieren. Dort haben wir viel "Luft nach oben"...
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wäre das wohl mit wenigen Einstellungen erledigt. Die Apps manuell neu einzurichten dagegen ist ein Aufwand, der unnötig dadurch torpediert wird, dass Apps wie DAVx5 keine Möglichkeiten bieten, Einstellungen zu sichern und in solchen Fällen zu importieren. Die Notwendigkeit der mühseligen manuellen Einrichtung wird durchaus in Kauf genommen, da verstanden wurde, dass die "Entkoppelung" von Services, die Freie Software ermöglicht, in vielerlei Hinsicht eher ein Vorteil als ein Nachteil ist.
Richtig. Das ist ein Beispiel dafür. Usability, Bedienbarkeit, Nutzerführung werden häufig wahlweise als "unwichtig" belächelt oder als für kleine FLOSS-Projekte nicht realisierbar bezeichnet. Stimmt auch ein Stück weit, siehe oben: Eine große Masse der Leute, die in der FLOSS-Entwicklung aktiv sind, sind eben *Entwickler*. Menschen, die Code schreiben. Deutlich seltener UI/UX-Experten, Designer oder Projektmanager. Wenn ich *das* will, dann müsste ich endlich den wichtigsten und derzeit aus meiner Sicht kritischsten Schritt gehen und in der Breite akzeptieren, dass "Freiheit" auf dieser Ebene nicht "kostenlos" sein wird. Um die Freien Apps besser zu bekommen, bräuchte es Modelle, die es qualifizierten Experten aller Disziplinen erlaubt, in professioneller Form solche Software zu bauen und zu vertreiben. Das beißt sich aber mit der gegenwärtigen Herangehensweise, dass *natürlich* erwartet wird, Freie Software auch "kostenlos" zu bekommen - in f-droid ist das ja nicht anders, leider. Da habe ich im Moment aus *genau dieser* Brille lieber noch den Google Play Store, bei dem ich teilweise FLOSS-Apps *kaufen* kann und weiß, dass ich darüber den Entwickler ein Stück weit entlohne für seine Arbeit, die Software aber trotzdem "frei" ist. Wir legen oft Wert darauf, dass "free-as-in-free- speech" wichtiger als "free-as-in-free-beer" ist, aber die Konflikte entlang dieser Linie haben wir bislang nicht wirklich aufgelöst... ;)
Viele Grüße, Kristian