Hallo,
On 20.06.20 17:47, Wolfgang Romey wrote:
die Position von Karsten finde ich grundfalsch.
ein solider Dissens belebt die Diskussion.
Da die beteiligten Firmen Weltmeister im Steuervermeiden sind und riesige Gewinne machen,
so ungerecht und beklagenswert man diese Umstände finden kann, sind sie nach meiner Kenntnis völlig kompatibel mit der aktuellen Rechtslage. Wenn nicht, wäre das ein Fall für die Justiz. Im aktuellen gesellschaftliche-ökonomischen System ist es es zulässig, große Gewinne zu generieren und die eigenen Steuerzahlungen zu minimieren. Aktiengesellschaften haben den primären Zweck das eingesetzte Kapital möglichst stark zu vermehren. Alles andere ist für sie sekundär. Wenn man daran etwas ändern möchte (wofür es meiner Meinung nach gute Gründe gibt), muss das auf tiefer liegender Ebene geschehen. Ich bin grundsätzlich sehr offen (siehe Mailsignatur), aber das ist ein anderes und viel dickeres Brett als die aktuelle Diskussion um Public Money Public Code.
hätte die Bundesregierung die Firmen verpflichten müssen, die App unentgeltlich zu entwickeln und die notwendige Infrastruktur unentgeltlich zu betreiben als Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge.
Das wäre aus meiner Sicht eine ungerechtfertigte staatliche Willkür, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist.
Sie hätte weiterhin fordern müssen, daß die App ohne Google-Dienste auskommt und die API offen gelegt wird.
Soweit ich das verstanden habe, wäre das technisch schwieriger?
Eine App die nicht für F-Droid geeignet ist, ist keine Freie Software.
Ich glaube, das ist inhaltlich so nicht richtig. Die Software selbst ist frei (d.h. sie ist unter einer mit den vier Freiheiten kompatiblen Lizenz veröffentlicht), auch wenn sie über Schnittstellen auf proprietäre Dienste zugreift.
Dass die Verwendung von proprietären Google-Play-Diensten problematisch sein kann, und das "Freie Software" nicht automatisch "gute Software" ist, bleibt davon unberührt.
Zudem hätte gefordert werden müssen, daß die App auf einem von Microsoft unabhängigen Repository liegt.
Ich kann den Punkt verstehen, aber auch das wäre aus meiner Sicht ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Außerdem stellt sich die praktische Frage nach Alternativen. Für github spricht immerhin die riesige Communitiy, die man damit niedrigschwellig erreicht. Das alte Problem des Netzwerkeffektes.
Wenn ich gezwungen werde, eine Maske zu tragen und meine Versammlungsfreiheit aufgehoben ist, sind das doch wohl keine unbilligen Forderungen.
Sehe ich anders, aber lasse ich im Interesse der Themennähe inhaltlich unkommentiert.
Das wäre natürlich mit der Gefahr verbunden, sich bei den Beteiligten unbeliebt zu machen.
"Beliebt" oder "unbeliebt" sind aus meiner Sicht nicht die relevanten Kategorien, sondern eher, was ist aktuell politisch "durchsetzbar" und was nicht.
Meine These ist eben, dass nicht zuletzt durch staatlich finanzierte Entwicklung der CoronaWarnApp als Freie Software die Frage geradezu auf der Hand liegt:
"Warum läuft das eigentlich nicht immer so?"
Mit anderen Worten: Warum ist es eigentlich nicht die Regel, dass, wenn die Öffentlichkeit für Code bezahlt, über diesen auch verfügen kann?
Zudem hätte es der FSFE gut angestanden, wie Digitalcourage oder das FIfF eine kritische Stellungnahme abzugeben oder sich wenigstens einer anzuschließen.
Ich sehe die Rolle der FSFE primär darin, sich für das Prinzip Freie Software einzusetzen. Eine Digitalisierungskultur in der Quelloffenheit, Freie Lizenzen und offene Standards der Normalfall sind, besonders in den Bereichen öffentliche Verwaltung und Bildung, hätte enorme positive Auswirkungen auch auf die Wahrung digitaler Freiheitsrechte. Bei der Risiko-Nutzen-Abwägung bezüglich der App kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Mich persönlich überzeugen die Argumente und vor allem die zitierten Quellen von digitialcourage [1] nicht besonders. Die Forderung vom FiFF [2], nach einem Begleitgesetz (Verbot von Benachteiligung bei Nichtnutzung der App) finde ich sinnvoll. Aber das widerspricht meinen Vorschlägen keineswegs.
[1] https://digitalcourage.de/blog/2020/corona-warn-app [2] https://www.fiff.de/presse/dsfa-corona-digiges
Ich stimme Wolfgang zu, dass der FSFE eine Stellungnahme zu dem Thema gut anstünde. Aber ich werbe dafür, in dieser nicht auf das Datenschutz- und Sicherheitsthema zu fokussieren, sondern die Verbindung zu Public Money Public Code herauszustellen.
So ähnlich wie der Netzpolitik-Kommentar [3]:
""" Der Beweis, dass die Corona-Warn-App einen relevanten Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten kann, steht noch aus. Klar ist aber schon: Die Bundesregierung hat in der Umsetzung vieles richtig gemacht. Bitte jetzt nicht vermasseln!
... """
[3] https://netzpolitik.org/2020/vieles-doch-noch-richtig-gemacht/
Beste Grüße, Carsten