Am Dienstag, 23. April 2002 22:36 schrieb Benni Baermann:
On Tue, Apr 23, 2002 at 10:09:12PM +0200, PILCH Hartmut wrote:
Dieser ganze Honk ist doch nur deswegen da, weil das (Über-)Lebensrecht faktisch an die Tatsache des Geldhabens gekoppelt ist. Das gilt es zu entkoppeln - IMHO. Nicht nur das Ding, die Software, sondern auch ihre Hersteller, die Menschen, sollten frei sein.
Frei kopierbar (klonbar?), frei zugänglich, frei modifizierbar, frei weiterverteilbar für jeden?
Oder mit welcher Bedeutung von "frei" wird hier gespielt?
Es steht doch da. Frei vom Zwang nur mit Geld leben zu dürfen.
...
- nur wessen materielles Leben gesichert ist, kann sich den Luxus
leisten Freie Produkte (z.B. Software) zu produzieren.
- Freie Produktion ist selber eine Form von Grundsicherung, da sie
einen nicht unerheblichen Anteil meiner Bedürfnisse geldfrei abdeckt.
Liebe Leute, was habt Ihr gegen Geld?!?!
a) eine freie Grundversorgung existiert schon seit langer langer Zeit in Deutschland. Nach meiner Meinung wäre es hilfreich, kosten- und komplexitätssenkend wenn das irgendwann einmal offiziell so gesehen würde. Denn dann könnte man das System endlich so vereinfachen, daß es den allgemeinen Konsens ("in Deutschland soll niemand verhungern und ohne medizinische Grundversorgung sein") besser abbildet. Aber schon jetzt halte ich es für eine schon sehr lange existierende Tatsache, daß die Grundversorgung in Deutschland frei ist.
b) Wenn man über die Grundversorgung eine Ebene hinausgeht, dann müssen zwei weitere Probleme gelöst werden:
b1) Ganz viele Menschen sind vom Druck gesteuert. Wenn sie Beiträge zur Gemeinschaft liefern sollen, dann muß da in irgendeiner Form Druck oder Anreiz sein.
b2) Ganz viele Dinge sind knapp. Es muß irgendwelche Kriterien geben, warum der eine die Fabrik leiten und besitzen darf und nicht der andere.
c) Für diese beiden Probleme kenne ich nur zwei Lösungsalternativen. Entweder
c1) werden Gremien oder Einzelpersonen in die Machtposition versetzt, über Menschen und Dinge zu bestimmen. Dann muß man sich mit denen gut stellen, ist abhängig von ihnen. Oder
c2) man akzeptiert Geld als eine Methode, bei der Zwangs-Abhängigkeiten aufgehoben sind. Plötzlich wird es egal (innerhalb der gesetzlichen Grenzen), wie ich mein Geld verdient und wer es mir gegeben hat. Es besteht Konsens darüber, daß ich mich niemandem gegenüber rechtfertigen muß, wenn mein Geld es mir erlaubt in der Art zu leben und zu arbeiten, wie ich es für richtig halte. Ich habe die Freiheit, zu tun und zu lassen was ich will, solange es mir gelingt, genug Geld (= Berechtigungsscheine) dafür verdient zu haben. Ich mag dieses System sehr, weil mich niemand zwingen kann, etwas bestimmtes zu tun. Es kann mich niemand zwingen, für ihn zu arbeiten. Es kann mich niemand zwingen, überhaupt zu arbeiten. Wenn ich mir genug Berechtigungsscheine verdient habe. Und wie ich das mache, ist meine Sache. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig (im Zweifelsfall muß ich nur beweisen, die Regeln/Gesetze eingehalten zu haben).
Das alles geht soweit ich das sehe ausgesprochen gut innerhalb des Geldsystems. Für mich bietet uns allen das System "Geld" ein Maß an Freiheit, das es in keinem anderen System jemals vorher gegeben hat und das für die Verwaltung knapper Güter und dafür, den leider notwendigen Druck auf manche Menschen in einer menschlichen Form aufrechtzuerhalten, nach meiner Meinung ausgesprochen gut geeignet ist.
Daneben halte ich es für sinnvoll, unknappe Güter und Grundversorgung anders zu behandeln:
- Der Pegel, wie weit die kostenlose Grundversorgung geht, ist für mich soetwas wie der allgemeine Luxuspegel eines Landes. Es ist toll, wenn der hoch liegt, weil es für _jeden_ ein ungeheures Maß an Sicherheit darstellt. Außerdem halte ich es für eine positive Errungenschaft eines Landes (Luxus, positiv gesehen), wenn es dort auch möglich ist, daß einige Menschen ohne Arbeit in der sozialen Hängematte liegen. Für mich ist das ein Ausdruck von Vielfalt, Freiheit, Luxus, der ein Land umso wertvoller macht (solange man sich das leisten kann, weil es in Grenzen bleibt).
- Unknappe Güter wurden noch nie vom geldlichen System verwaltet. Der Versuch, das Geldsystem darauf anzuwenden, führt zu krampfhaften, unnatürlichen Konstruktionen, die enorme Energie brauchen, um am Leben zu bleiben und überall kneifen und zwicken. Software, die ihrer Natur nach problemlos kopierbar ist, wird dieser ihrer ureigensten Eigenschaft beraubt. Wie ein Fisch, dem man das Schwimmen verbietet. Aber der Erstellungs- und Betreuungsvorgang muß in einem System bezahlt werden, das möglichst nahe der Marktwirtschaft ist, damit die Programmierer und die Konsumenten frei bleiben, damit keine selbsternannten Gremien die Macht über Menschen bekommen, sondern damit die Menschen frei untereinander Leistungen und Gegenleistungen austauschen können. Das geht nach meiner Überzeugung wieder am besten mit Geld.
Zu diesem Thema werde ich wahrscheinlich noch in diesem Jahr eine Stiftung gründen und sehr bald ein Bezahlmodell für freie Software ins Leben rufen (siehe http://www.lueckenfueller.org/gemeineig.html). Ja, ich weiß, daß es andere gibt, aber ich liebe die Vielfalt und füge der existierenden Menge der Bezahlmodelle ein weiteres hinzu.
Viele Grüße Reinhard