Hallo,
ich bin leider nicht sehr gut informiert, was den aktuellen Status von Firefox / Mozilla angeht (mir war Firefox bisher tatsächlich als freie Software bekannt), erlaube mir aber eine grundsätzliche Anmerkung.
Ich bin vor drei Jahren zu freier Software gekommen, weil ich damals Windows "irgendwie uncool" fand und den Gedanken, dass es ein von freiwilligen programmiertes Betriebssystem und entsprechende Programme gab, "irgendwie cool". Ich benutze also Kubuntu, anfangs mit ziemlich vielen proprietären Codecs und einigen proprietären Programmen wie VMware.
Gleichzeitig begann ich aus verschiedenen Gründen, mich mit den Konzepten und der Geschichte von Freier Software zu beschäftigen. Rechtliche Details haben mich dabei zum Teil auch interessiert, standen aber nie im Mittelpunkt meines Interesses; mir ging es eher um den gesellschaftlichen Aspekt von Freier Software, um Partizipation als Vergesellschaftungsmechanismus [1], auch um eine die kulturtheoretische Bedeutung von "Offenheit" bzw. "Freiheit". Und ich habe von Anfang an vielen von meinem neuen Hobby erzählt und mehr als nur einige von freier Software überzeugt.
Mit der Zeit ersetzte ich ein proprietäres Programm nach dem anderen durch freie Lösungen - mir schien es zunehmend selbstverständlich, wenn möglich die freie Alternative zu wählen, auch wenn damit zum Teil Stabilitäts- oder Qualitätseinbußen verbunden waren. Es gibt einige wenige Bereiche, in denen ich bis heute nicht auf proprietäre Software verzichten kann oder möchte; meist in Bereichen, wo diese Stabilitäts- oder Qualitätseinbußen zu hoch wären. Trotzdem würde ich mich als passionierten Nutzer freier Software bezeichnen. Wenn ich nun erfahre, dass mein Browser Firefox aus guten Gründen als "proprietär" bezeichnet werden muss, dann habe ich kein Problem damit, einen Umstieg auf Konqueror in Betracht zu ziehen.
Mir fällt aber kein einziger Grund ein, aus dem man die Millionen Firefox- Nutzer dafür kritiseren sollte, dass sie ihren Schritt weg von proprietärer Software zwar versucht, aber (noch) nicht geschafft haben. Im Gegenteil halte ich das für kontraproduktiv, in jeder Hinsicht: Am Ende wird man als "Hardliner" belächelt, und der Anfangsenthusiasmus auf seiten des Umsteigers ist futsch.
Firefox, Ubuntu usw. sind vielleicht in einigen Punkten problematisch, und die Nutzung von Adobe Flash und dem NVidia-3D-Treiber unter Linux erst recht, aber sie sind alle beliebt und haben deswegen das Potenzial, Millionen Menschen an freie Software heranzuführen. Bei mir hat das geklappt, und bei vielen meiner Bekannten auch. Wir können solche "problematischen" Lösungen deswegen weiter kritisieren, aber wir sollten ihre *Nutzung* nicht als "unfrei" (in einem ethischen Sinne, wenn ihr versteht, was ich meine) völlig ablehnen. Damit schaden wir letztlich dem Fortkommen von Freier Software.
Kurz und knapp: Wenn Firefox proprietär ist, wechsle ich selbst zu Konqueror. Aber (potenziellen) Umsteigern empfehle ich Firefox weiterhin inbrünstig, weil ich sie dadurch vielleicht - wenn auch auf Umwegen - zu Freier Software bringen kann. Wahrscheinlich ist diese Diskussion schon hundertmal geführt worden, olle Kamellen sozusagen. :)
Viele Grüße, JN
PS. Ich beziehe mich nicht nur bzw. nicht primär auf deinen Beitrag, Werner, sondern auf eine Reihe von Mails, die ich hier seit meiner Anmeldung gelesen habe und die ich in dieser Hinsicht problematisch finde.
- - - [1] Vgl. Uli Zappe, Vom spielerischen Ernst des Programmierens, in: Open- Source-Jahrbuch 1 (2004), S. 420.
On Sonntag 05 April 2009 17:34:29 Werner Koch wrote:
Das bezog sich konkret nur auf "wie eine proprietäre Software mit dranhängenden Unternehmen es kann". Als etwas anderes kann ich Firefox nicht ansehen.
[...]
Der Satz "Wenn ich Firefox benutze, nutze und unterstütze ich ja freie Software." ist leider weit verbreit.