olafBuddenhagen@gmx.net schrieb:
On Fri, Apr 01, 2011 at 08:05:41PM +0200, Theo Schmidt wrote:
Die neuen AppStores sind für mich ein Abklatsch der Linux-Paketmanager, nur realisiert es niemand. Der einzige Vorzug der AppStores scheint eine Art Bezahlsystem zu sein.
Das stimmt absolut nicht. Keine der mir bekannten Distributionen bietet Drittanbietern die Möglichkeit, selbst Pakete zur Verfügung zu stellen, die in einer gemeinsamen Übersicht angezeigt werden, und mit minimalem Aufwand installiert werden können.
Also, dem muss ich entschieden widersprechen, und damit Theo Recht geben. Olaf, Du tust hier ja so, als wären die Distributionen abgeschottet von der Außenwelt, was sie aber im Gegensatz zum AppStore gerade _nicht_ sind.
1) Man kann in allen gängigen Distributionen weitere Paketquellen hinzufügen. Diese müssen in keiner Weise von der Distribution "zertifiziert" oder sonstwas sein, und die enthaltenen Pakete erscheinen dann vollkommen gleichberechtigt in der gemeinsamen Übersicht des Paketmanagers. Installation und Upgrades laufen ebenfalls gleichermaßen einheitlich ab, wie man sich das wünscht.
Sogar Individual-Lizenzen sind hier machbar, indem die URL zum Repository einen kundenspezifischen Benutzernamen und Passwort erhält, z.B. einfach via SSL und HTTP-Auth:
deb https://KUNDE:PASSWORT@drittanbieter.example.com/debian squeeze non-free
Für den Benutzer ist dieser Konfigurations-Eintrag natürlich eine Hürde, aber im Gegensatz zum AppStore hat er wenigstens überhaupt diese Möglichkeit! Zudem verlangen die Distributionen keinen absurden Wegzoll dafür.
2) Zumindest in Debian kann man eigene Pakete auch in die offizielle Distribution aufnehmen lassen. Man muss zwar die richtige Mailingliste anschreiben und sich an gewisse technische Vorgaben halten, aber das ist beim AppStore ja genauso, wenn nicht sogar deutlich extremer. [1]
Selbst unfreie Software kann man in Debian einpflegen. Die landet zwar im Bereich "non-free" und erhält weniger Unterstützung durch das Debian-Projekt. Doch aus Sicht des Nutzers ist sie vollkommen gleichberechtigt, sofern er den "non-free"-Bereich bei sich aktiviert hat.
In anderen Distributionen wie Ubuntu und OpenSUSE dürfte das ähnlich aussehen, aber dazu müssten sich am besten mal andere Leute äußern, die da Erfahrung haben.
Dieser sehr direkte Weg vom Anbieter zum Anwender ist was den Erfolg von AppStore ausmacht.
Wie kommst Du denn darauf? Ich finde immer wieder Berichte, die das genaue Gegenteil aussagen: Der Weg in den AppStore ist alles andere als "direkt", der Approval-Prozess frisst Zeit und raubt den Anbietern den letzten Nerv. Und auch wenn die App endlich drin ist, sind die Wartezeiten für Upgrades zum Teil so hoch, dass wichtige Bugfixes in den Stores einfach fehlen. [2] Zudem obliegt es der puren Willkür von Apple, die App jederzeit aus dem Store wieder zu entfernen, ohne Angabe von Gründen und ohne Vorwarnung an den Anbieter der App.
Was auch immer den Erfolg des AppStores ausmacht, es hat ganz sicher nichts mit Anbieterfreundlichkeit zu tun.
In meinen Augen begründet sich der Erfolg des AppStores einfach darin, dass es der einzige Weg ist, auf einer sehr beliebten Platform Software anzubieten. [3] Wäre das iPhone nicht so extrem weit verbreitet in einem kommerziell attraktivem Publikum, dann könnte sich Apple gegenüber den Anbietern niemals so verhalten, wie sie es derzeit tun. [4] Dieses Verhalten ist übrigens nicht AppStore-spezifisch. So verhält sich Apple anscheinend auf allen Platformen, die sie unter Kontrolle haben. [5]
Klar, auch mit den Distributionen hat man als Entwickler manchmal etwas Stress. Aber das ist überhaupt kein Vergleich zu dem, was einen Entwickler erwartet, der etwas im AppStore anbieten möchte.
Natürlich hat das auch eine Kehrseite. Wir versuchen seit Jahren den Leuten einzutrichtern, dass der Weg über die Distribution besser ist, da so dafür gesorgt wird, dass alles tatsächlich gut zusammenspielt Wobei ich aber immer mehr zu dem Schluss gelange, dass hier teilweise über das Ziel hinausgeschossen wird...
... im Gegensatz zum AppStore?
Obiger Absatz klingt auf mich sehr danach, als würdest Du hier mit zweierlei Maß messen.
Abgesehen vom "fehlenden" Bezahlsystem müssen sich die gängigen Distributionen mit ihren Paketmanagern in keiner Weise hinter dem AppStore verstecken! Der Erfolg des AppStores hat in meinen Augen wiegesagt ganz andere Ursachen.
Gruß Volker
[1] Es spricht schon Bände, dass es eine "großartige Neuigkeit" war, als Apple vor einigen Monaten gnädigerweise aufgehört hat, den AppStore-Anbietern die zu verwendene Programmiersprache und das zu verwendene Framework vorzuschreiben. Siehe auch:
http://www.mobilecrunch.com/2010/09/09/apple-opens-app-store-to-other-develo...
[2] Man könnte zwar lästern, dies sei ja wie in Debian/Stable. Aber in Debian/Stable werden wenigstens wichtige Bugfixes und Security-Sachen zeitnah übernommen. Zudem hat dort der Benutzer jederzeit die Möglichkeit, Backports zu verwenden oder auf Debian/Testing umzuschalten. Er ist nicht darauf angewiesen, zu warten, bis ihm Apple freundlicherweise endlich die neuste Version im AppStore anbietet. (die bis dahin womöglich auch schon wieder veraltet ist)
[3] ... abgesehen von irgendwelchen Jailbreaking-Aktionen, aber das macht ja nur ein sehr kleiner Teil der iPhone-Besitzer. Und ein Anbieter dürfte ohnehin schnell in Probleme geraten, wenn er seine Kunden offiziell zum Jailbreaking auffordert.
[4] Siehe auch:
http://techcrunch.com/2009/11/11/joe-hewitt-developer-of-facebooks-massively... http://techcrunch.com/2010/02/19/apple-ban-sex/
[5] Zum Beispiel auch beim iTunes-Store. Siehe auch: