= Analyse Koalitionsvertrag = == Einleitung == Besser als der alte Entwurf des Koalitionsvertrags (TODO: Tatsächlich? Ein Entwurf davor war aber besser als jetzt die finale Version...) Leider an vielen Stellen nur vage, wenig stark verbindliches, teilweise unklare Formulierungen. Hier sollte die neue Bundesregierung etwas wagen und sich klar für offenen Wettbewerb, Sicherheit und Interkompatibilität aussprechen. == Anschaffung und Implementation == "Bei der Anschaffung von IT-Technologie durch die öffentliche Hand müssen im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsprinzips Innovationspotenziale und Nachhaltigkeit als mitentscheidende Kriterien bedacht werden. Bei Ausschreibungen sollen Sicherheitsstandards vorgegeben und wenn möglich Open-Source-Lösungen erwogen werden." (S. 152) Der Koalitionsvertrag möchte Ausschreibungen stärker auf Sicherheitsstandards und Nachhaltigkeit fokussieren. Es sollen "wenn möglich Open Source Lösungen erwogen werden". - Wieso nur wenn möglich? Hier fordern wir die Definition von klaren Regeln, wie die Anschaffungen von öffentlich finanzierter Software begründet wird. Wenn keine Freie Software ausgewählt wird, muss das klar begründet werden. - Es gibt keine eindeutigen Regelungen, wie öffentliche Institutionen auf die Forderung, Freie Software zu erwägen, reagieren sollen - Unsere Forderung: Es muss ein freier Wettbewerb ermöglicht werden, Ausschreibungen dürfen keine Bevorzugung für proprietäre enthalten. Sollte keine Freie Software verwendet werden, muss klar begründet werden, warum das nicht möglich war - Ausschreibungen müssen klarer definiert werden, mit Steuermitteln bezahlte Software muss Freie Software sein [Ist das die Haltung der FSFE? Halte ich für etwas extrem. Kann man vielleicht das "muss" durch "sollte in der Regel" ersetzen und vielleicht noch anfügen - "mit Steuermitteln entwickelte Software muss Freie Software sein"? Oder war mit dem Wort "bezahlte" gemeint, dass die Entwicklung damit bezahlt wird? - Ja, damit war die Neuentwicklung gemeint, wenn ich das richtig verstanden habe. TODO: Sollte in diesem Fall geändert werden] == Apps == "Wir fördern die Entwicklung und den Einsatz von bundesweiten Warn- und Informationssystemen, mit denen Bürgerinnen und Bürger per SMS, E-Mail oder über eine App über Unfälle, Gefahren und Katastrophen informiert werden können." (S. 144) Die Große Koalition möchte die Entwicklung von bundesweiten Warn- und Informationssystemen vorantreiben, die Bürgerinnen und Bürger per SMS, E-Mail oder App im Bedarfsfall informiert - Begrüßenwert, aber wieder zu vage: Da alle Bürgerinnen und Bürger damit erreicht werden sollen, muss auch hier festgeschrieben sein, dass es sich bei den Systemen um Freie Software handelt, da sonst Inkompatibilitäten mit Systemen auftreten können, welche Offene Standards verwenden. - Eventuelle Apps müssen auch außerhalb der kommerziellen Softwaremärkte wie dem Google Play Store oder Apples App Store verfügbar sein, etwa in freien Alternativen wie F-Droid. Damit ist niemand gezwungen, sich ein Google- oder Apple-Konto anzulegen und Datenschutz ist gewährleistet == Routerzwang == "Wir wollen eine gesetzliche Klarstellung für den Netzzugang von Telekommunikationsanbietern. Nutzerinnen und Nutzer müssen die freie Auswahl an Routern behalten. Daher lehnen wir den Routerzwang ab. Die zur Anmeldung der Router (TK- Endeinrichtungen) am Netz erforderlichen Zugangsdaten sind den Kundinnen und Kunden unaufgefordert mitzuteilen." (S. 49) CDU, CSU und SPD wollen eine klare gesetzliche Klarstellung für die Netzzugangsschnittstelle und dabei die freie Auswahl an Routern gewährleisten. Alle Kunden sollen unaufgefordert ihre Netzzugangsdaten erhalten. Der Routerzwang wird offen abgelehnt. - Sehr klare Äußerung in diesem Punkt. Die Koalitionspartner sprechen sich deutlich für die Gerätehoheit des Nutzers über seine eigene IT-Infrastruktur aus. - Die Formulierung der Herausgabe der Anmeldedaten beinhaltet nicht explizit auch VoIP-Daten. Hier sollte bei der Definition der gesetzlichen Klarstellung darauf geachtet werden, alle Verbindungsdaten, die der Provider nutzt, in die Herausgabepflicht mit einzuschließen - Abgeleitet aus dieser Äußerung erwarten wir uns eine ebenso deutliche Stellung gegenüber Secure Boot, da es auch hier um freie Auswahl der IT-Geräte und des vollen Zugangs darauf geht. CDU und CSU haben in der vorherigen Koalition auch Anteil am Eckpunktepapier des Innenministeriums gehabt, in dem dem Verbraucher die "vollständige Kontrolle" über seine Infrastruktur zugesprochen wird == Offene Standards == Keine Erwähnung mehr von Offenen Standards (wie in einem Entwurf davor), obwohl viele Punkte nur durch die Verwendung derselben ermöglicht werden können == Softwarepatente == Verwunderlicherweise werden Softwarepatente nirgendwo erwähnt, obwohl es einen überparteilichen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE gegen diese gab. Zudem haben alle Parteien sich in unseren Wahlprüfsteinen gegen diese ausgesprochen. - Wir erwarten eine klare Linie gegen Softwarepatente, da dies Grundvoraussetzung für eine langfristige Strategie für bundesweite Freie Open Source Software-Lösungen ist == Bildung == "Die digitale Lehrmittelfreiheit muss gemeinsam mit den Ländern gestärkt werden. Grundlage hierfür ist ein bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Schulbücher und Lehrmaterial auch an Hochschulen sollen, soweit möglich, frei zugänglich sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden." (S. 30) Die Koalition möchte jeder Schülerin und jedem Schüler ein mobiles Endgerät zur Verfügung stellen. Dabei soll die Digitalisierung von Lehrinhalten vorangetrieben werden sowie technische Unabhängigkeit gewährleistet werden. Zudem soll Lehrmaterial frei verfügbar sein. - Begrüßenswert. Diese Forderungen können jeweils ausschließlich mit Freier Software und unter der Verwendung freier Lizenzen gewährleistet werden. - Im Gegensatz zu früheren Entwürfen ist nichts mehr vom Angebot von mobilen Endgeräten für jede Schülerin und jeden Schüler zu lesen. - Bei der Bereitstellung von Lehrmaterial muss auf Offene Standards geachtet werden, ansonsten findet eine Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern statt, welche Freie Systeme einsetzen. == Datenschutz und Sicherheit == "Voraussetzung für die Akzeptanz elektronischer Behördendienste sind Datenschutz und Sicherheit der Kommunikation und Angebote. Die Identifizierungsfunktion des neuen Personalausweises und die Nutzung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen sind grundsätzlich anzuwenden." (S. 152) "Die Weiterentwicklung und Verbreitung von Chipkartenlesegeräten, Kryptographie, DE-Mail und sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen sowie vertrauenswürdiger Hard- und Software gilt es erheblich auszubauen." (S. 148) "Die Bundesbehörden werden verpflichtet, zehn Prozent ihrer IT-Budgets für die Sicherheit ihrer Systeme zu verwenden." (S. 148) Die Koalition spricht sich flächendeckend für Datenschutz und IT-Sicherheit aus - Auch hier fehlt die logische Schlussfolgerung, dass dies nur unter Verwendung Freier Software zu realisieren ist. Proprietäre Lizenzen ermöglichen keinen Einblick in die Funktionsweise der verwendeten Programme und Systeme und hebeln dadurch jede Sicherheitsstrategie aus. == Zentralisierung == "Der Bund wird den Ländern vorschlagen, die Programme des E-Governments unter Verantwortung des IT-Planungsrates zu konsolidieren und zu koordinieren. Dabei sind Technologien nach Möglichkeit langfristig so zu planen, dass keine Abhängigkeiten zu intransparenten Protokollen, Software, Hardware oder Herstellern entstehen." (S. 152) "Um Bürgerdaten besser zu schützen und zu sichern, werden wir die Bündelung der IT-Netze des Bundes in einer einheitlichen Plattform „Netze des Bundes“ anstreben. IT- und TK-Sicherheit wollen wir zusammenführen." (S. 148) Die Koalition möchte die IT-Netze des Bundes bündeln und zudem die Länder in die Planung von E-Government-Programmen mit einzubeziehen. - Das ist für Durchsetzung von Standards förderlich, erfordert aber auch hier den flächendeckenden Einsatz von Freier Software und Offenen Standards, damit Herstellerabhängigkeit und leichtere Migration ermöglicht wird . - Jedoch dürfen innovative Pilotprojekte einzelner Behörden dadurch nicht verhindert werden. Jede Verwaltung soll die Möglichkeit haben, selbst auf alternative, Freie Lösungen umzusteigen. = Deutschland im internationalen Vergleich = "In den nächsten vier Jahren können die Weichen gestellt werden, damit Deutschland und Europa eine Führungsrolle bei der konsequenten, sozialverträglichen, vertrauenswürdigen und sicheren Digitalisierung der Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen. Mit einer ausgewogenen Digitalisierungspolitik können Zukunftschancen unseres Landes, Potenziale für Demokratie und Teilhabe sowie Innovations- und Wettbewerbsfähig langfristig gesichert werden. Deutschland wird zu einer echten digitalen Gesellschaft." (S. 143) "Unser Ziel ist, bei Schlüsseltechnologien und IT-Kernkompetenzen (IT-Sicherheit, Netzwerktechnik, Embedded Systems, Prozess- und Unternehmenssoftware, Kryptographie, Machine-to-Machine-Kommunikation etc.) eigene Technologieplattformen und Produktionslinien in Deutschland bzw. im europäischen Verbund zu halten. Als Alternative zu den geschlossenen digitalen Ökosystemen unterstützt und fördert der Bund im Software-Bereich gerade auch die Entwicklung von offenen Plattformen und Open-Source-Lösungen und setzt sich dafür auch auf europäischer Ebene ein. Wir wollen im globalen Wettbewerb „Software made in Germany“ als Qualitätsversprechen bzgl. Sicherheit, Datenschutz, Design und Nutzerfreundlichkeit stärken. Wir unterstützen Prozesse der Standardisierung, Interoperabilität und Zertifizierung als wichtige Parameter für den Markterfolg deutscher Produkte." (S. 20) Der Koalitionsvertrag ist eine Steigerung, aber hinkt noch weit im europäischen Vergleich hinterher mit konsequenten Fortschritten. Die Niederlande, Frankreich, Schweden, Italien und Spanien passen ihre IT-Strategie mit Erfolg an aktuelle Entwicklungen an, indem die Verwaltungen auf Freie Software umstellen und in öffentlichen Ausschreibungen Freie Software und Offene Standards voraussetzen. Damit fördern diese Staaten auch die lokale Wirtschaft, den Binnenmarkt sowie heimische Innovationen. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag dieses klare Bekenntnis versäumt und läuft mit schwammigen Formulierungen und inkonsequenter Umsetzung Gefahr, weiter abgehängt zu werden. Daher sollten sich CDU, CSU und SPD in den nächsten vier Jahren diesem Thema deutlich annehmen und von europäischen Vorbildern lernen, um Deutschlands Effizienz in der Verwaltung und seinen IT-Bereich wieder wettbewerbsfähig zu machen.