Hallo auch;
Am Montag, den 28.10.2019, 21:00 +0100 schrieb Benjamin Hagemann:
ja, das ist definitiv sinnvoll. Nur wie kommt man dahin? Die Politiker verstehen das Problem ebenfalls nicht. Die muss man gleichsam sensibilisieren.
Richtig. Und dort muss man sich gleichermaßen positionieren zu Standpunkten wie diesen hier ...
https://www.microsoft.com/de-de/berlin/artikel/digitale-souveraenitaet-durch...
... und aber, möglicherweise, vorher auch erst einmal zu einem gemeinsam geteilten Verständnis davon kommen, was "das Problem" eigentlich genau ist. Können wir das? Das scheint mir manchmal nicht so, siehe etwa Diskurse wie XMPP vs. Signal vs. WhatsApp in manchen sozialen Kanälen oder die Frage, ob nun FLOSS wichtiger ist oder eher nachhaltig finanzierte, wirtschaftliche Geschäftsmodelle, bei denen sichergestellt wird, daß kein Interesse daran besteht, unethische Praktiken zu versuchen. Den Konsens gibt es, glaube ich, mitnichten, insofern fehlt es auch daran, daß man der Politik mit einer Stimme ein Problem vortragen und Lösungen dazu einfordern könnte.
Solange aber nicht der normale Consumer das Bewusstsein und darauf basierend den Wunsch nach einer datensparsamen Lösung hat, wird sich die Politik auch nicht dafür einsetzen. Warum sollte ein Politiker ein Unternehmen zu etwas bewegen, was der Masse egal ist? Der Wunsch muss von den Wählern kommen.
Eigene Erfahrung: Dem Nutzer ist Datensparsamkeit zwar nicht schnuppe, aber er hat überhaupt keine Idee, was das genau bedeutet, bzw. kann nicht abwägen, wann "Datensparsamkeit" erreicht ist und wann nicht. Ist ein Session-Cookie schlecht, das ein Anbieter braucht, um sich zu merken, daß ich eingeloggt bin? Sind die ?utm-Parameter von Google Analytics in URLs schlecht? Ist die Übergabe von Kontaktdaten an WhatsApp schlecht, wenn ich als Gegenleistung eine Aussage darüber bekomme, welche meiner Kontakte ich über diesen Kanal erreichen kann?
Das ist dasselbe, was ich in meinem Dunstkreis mit Lebensmitteln und Zusatzstoffen erwarte: Den Leuten ist egal, welche E-Stoffe dort drin sind. Die Leute wollen auch keine genaue Auflistung der Inhaltsstoffe. Die *erwarten*, daß sie bei Produkten, die verkauft werden dürfen, genügend Kontrolle und Regulation gegeben ist, um sicher zu sein, daß dort bei Konsum keine akute Gesundheitsgefahr besteht - bzw. daß die Produkte vom Markt genommen werden, wenn dem nicht so ist.
Vielleicht ist dort mein Umfeld speziell - keine Ahnung.
Ich mein, die bekommen ja schon beim Klimaschutz es nicht hin die Wirtschaft zu regulieren... Vorallem erzählen die Lobbisten der Dataminer den Politikern, dass sie mehr Daten brauchen.
Ja. Aber das ist mir auch viel zu schwarz-weiß, ehrlich gesagt. Das passt auch zu dem Kommentar von Merkel und Oettinger. Das, was getan wird, wird getan. Wir leben in einem globalen Markt, und derzeit dominieren die Produkte aus US of A auch Europa, siehe Google, Amazon, Netflix. Und die Nutzer nutzen sie - vermutlich aus einer Mischung aus Bequemlichkeit, durch Marketing gezüchteten Bedürfnissen und schlicht dem Umstand heraus, daß die Dinge eben "verfügbar" und leicht zugänglich sind.
Und was passiert hier? Nix. Wir gehen den negativen Weg. Wir zwingen Themen wie die DSGVO in die Welt. Warum zum Henker gibt es noch keine europäischen Alternativen zu Google, Netflix, Amazon und Co., Alternativen, die näher an unseren Ideen von Datenschutz et al sind? Machen wir nicht.
Wir versuchen lieber, die Aufgabe der Lösung dieser Themen zu individualisieren: "Digitale Mündigkeit". Soll der Einzelne sich doch mit der Politik und den Großkonzernen streiten. Und dort sehe ich in der Tat Parallelen zum Umgang mit dem Klimawandel: Wir *haben* ein erkanntes Problem. Aber statt die Leute dahinter zu scharen, die Politik endlich zu einem sinnvollen, gezielten Handeln zu kommen, individualisieren wir die Verantwortung für die Lösung und tun das mit derselben überheblichen Blindheit: Die Leute sollen doch Lastfahrräder nutzen und endlich auf ihre Autos verzichten. Daß das zwar im städtischen Raum für gesunde / jüngere Menschen gut funktioniert, mag sein. Für viele, die außerhalb der Ballungszentren wohnen, funktioniert das eben nicht in einer Gesellschaft, in der alles (ÖPNV, Nahversorgung, medizinische Versorgung, Behörden, Arbeitsplätze, ...) seit Jahrzehnten auf die Idee individuell verfügbarer Mobilität mittels Pkw aufgebaut wurde.
Das klingt vielleicht bitterer und frustrierter, als es ist, aber mitunter verstehe ich es derzeit tatsächlich nicht. Was in all diesen Bereichen schmerzlich zu fehlen scheint, sind Leute, die die Probleme der Mitmenschen verstehen und lösen wollen. "Digitale Mündigkeit" ist genau so ein Punkt: *Wir* haben eine klare Idee, welche Probleme die Leute um uns herum haben, und wir lösen das für sie. Auf die Idee, mal für ein paar Monate in den Schuhen eines technisch unbedarften John Doe zu laufen und die Welt durch seine Augen zu sehen, kommen wir nicht. Warum eigentlich?
Da können eine FSFE, ein DigitalCourage, ein CCC und sonst jemand den Politikern sonst was erklären - das tun diese seit 20-30 Jahren - und wo stehen wir heute?
Richtig. Eine Möglichkeit: Die andere Lobby ist viel stärker als wir. Andere Möglichkeit: Wenn wir über 30 Jahre die Dinge in der gleichen Weise tun und die Erfolge bescheiden sind, wäre es *vielleicht* Zeit, die Art und Weise, wie wir die Dinge tun, zu hinterfragen...?
"Public Money - Public Code" läuft jetzt etwas mehr als zwei Jahren und kommt so langsam bei manchen Politikern an... - meiner Wahrnehmung nach.
Ja. Das ist eines der aus meiner Sicht uneingeschränkt positiven Projekte, das auch am ehesten "greifbar" ist. Davon bräuchte es mehr. Dezentralisierung müsste letztlich auch über diesen Weg getrieben werden. Aber eben *geordnet*. Und ich glaube, dort haben CCC et al auch das Problem, vorbelastet und voreingenommen an die Sache heranzugehen: Wir sind zu sehr etwa mit Ideen "verbunden", Kontrolle über Dinge zu haben, indem wir Infrastruktur selbst betreiben, Server selbst hochziehen und hosten, ... . Das wird (und da sind wir zurück oben) für John Doe, glaube ich, nie funktionieren. Das Beste, was wir ihm - auch bei digitaler Mündigkeit - geben können, ist ein Anbieter, der seine Anforderungen erfüllt und dem er zu Recht vertrauen kann. Anderenfalls wird er eben bei dem Anbieter bleiben, der seine Anforderungen erfüllt, auch wenn er dem nicht so gut vertrauen kann.
Ich glaube, es braucht Alternativen deutlich mehr als Belehrungen. ;)
Viele Grüße, Kristian